Shakespeares Sonette
1 – Wir wünschen Blüte der Vollkommenheit,
2 – Wenn vierzig Winter deine Stirne drücken
3 – Blick’ in den Spiegel, mahne dein Gesicht:
4 – Nutzlose Schönheit, immer sinnst du nur,
5 – Die Stunde, die mit stillem Fleiß gewebt
6 – Laß nicht des Winters rauhe Hand verderben
7 – Sieh, wenn im Ost sein Haupt im Strahlenkranz
8 – Du bist Musik dem Ohr, und doch zur Last
9 – Ist es die Furcht, die ledig dich erhält,
10 – O Schmach, daß du nicht liebst, gesteh es ein,
11 – So schnell als du verwelkst, wirst du erstehn
12 – Zähl’ ich die Glocke, die die Stunde kündet,
13 – Wärst du dein eigen, doch du bist nur dein,
14 – Nicht les’ ich in der Sterne Schicksalsbuch,
15 – Bedenke ich, wie alles hier im Leben
16 -Â Doch warum suchst du besser nicht zu schirmen
17 -Â Wird Glauben wohl dereinst mein Lied erwecken,
18 -Â Soll ich dich einem Sommertag vergleichen?
19 - Allmächt’ge Zeit, des Löwen Pranke schwächen
20 -Â Dir schuf Natur ein Frauenangesicht
21 - Nicht jener Muse ähnelt mein Gedicht,
22 - Dem Spiegel glaub’ ich nimmer meine Jahre,
23 - Wie voller Angst ein schlechter Komödiant,
24 -Â Mein Auge hat als Maler in dem Schrein
25 - Laß die, die in der Gunst der Sterne leben,
26 -Â Herr meiner Liebe, dem ich untertan,
27 - Erschöpft werf’ ich mich auf mein Lager nieder
28 -Â Wie kann ich denn zu altem Frohsinn kehren,
29 -Â Wenn ich, zerfallen mit Geschick und Welt,
30 -Â Wenn zu dem Rate der Gedanken kehren
31 -Â Die Herzen alle sind in deiner Brust,
32 - Wenn du allein zurückgeblieben bist
33 -Â Stolz ging schon oft der junge Morgen auf,
34 - Warum versprachst du einen schönen Tag
35 – Nicht klage mehr um das, was du verübt,
36 - Laß mich gestehn, daß wir uns trennen müssen,
37 - So wie ein greiser Vater mit Entzücken
38 - Wie wär’ des Stoffes meine Muse bar,
39 -Â Wie soll ich feiern dich in rechter Weise?
40 -Â Nimm alle, die ich liebe, allesamt!
41 - Die kleinen Sünden, die dein loser Sinn
42 - Daß du sie hast, ist nicht mein größter Schmerz,
43 - Klar seh’ ich erst, wenn sich mein Auge schließt,
44 - Wär’ meines Körpers schwerer Stoff Gedanke,
45 -Â Doch zarte Luft und lautres Feuer wanken,
46 - Mein Herz und Auge sind sich tödlich feind,
47 -Â Nun ist der Friede wieder eingekehrt,
48 -Â Wie sorgsam barg ich allen meinen Tand,
49 - Für jene Zeit, falls je die Zeiten nahn,
50 - Wie müde zieh’ ich meinen Pfad von hinnen,
51 -Â So kann die Liebe, geht es fort von dir,
52 - Dem Reichen gleich’ ich, dessen Schlüssel kann
53 -Â Aus welchem Stoffe bist du nur gediehn,
54 - Oh, wie gefälliger wird alle Pracht
55 - Kein Marmor und kein goldnes Fürstenmal
56 - Erneue, süße Liebe, deine Macht,
57 -Â Dein Sklave bin ich, nimmer darf ich ruhn,
58 -Â Der Gott, der mich zu deinem Knecht gemacht,
59 -Â Wenn alles da war, wenn nichts Neues lebt,
60 - Wie Well’ auf Welle an den Felsenstrand,
61 - Ist es dein Wunsch, daß in der bangen Nacht
62 - In sünd’ger Eigenliebe ist entbrannt
63 -Â Einst ist mein Freund gebrochen und zerzaust,
64 - Seh’ ich zertrümmert von der Zeiten Hand
65 -Â Wenn Erz und Stein dem Todeswerk der Zeit,
66 - Des Todes Ruh’ ersehn’ ich lebensmüd,
67 -Â Warum soll er in der Verpestung leben
68 -Â So ist sein Bild ein Blatt aus alten Tagen,
69 -Â Dein Bild, das sich dem Blick der Welt entrollt,
70 - Nicht deine Schuld ist’s, wenn die Welt dich schmäht,
71 - Nicht länger traure du um meinen Tod,
72 - Daß nicht die Welt dich frage, was es war,
73 -Â Die Zeit des Jahres magst in mir du sehn,
74 -Â Doch sei getrost! Wenn mich der harte Spruch
75 -Â Du bist der Seele, was dem Leib das Brot,
76 -Â Was bleiben allen neuen Reizen fern,
77 -Â Der Spiegel zeigt, wie deine Reize bleichen,
78 -Â Sooft ich dich als Muse angefleht,
79 -Â Als ich alleine deine Gunst errang,
80 -Â Oh, wie verzagt bin ich, von dir zu singen,
81 - Erlebe ich’s, die Grabschrift dir zu schreiben,
82 - Vermählt bist du mit meiner Muse nicht,
83 - Mir warst du immer schön genug, so habe
84 - Wer sagt das Höchste? Was bedeutet mehr
85 - Es hüllt sich meine Muse fromm in Schweigen,
86 -Â War es das stolze Segel seiner Lieder,
87 - Leb’ wohl, du stehst zu hoch für mich im Wert
88 -Â Kommt dir die Laune an, mich preiszugeben,
89 - Sag’, du verließest mich um ein Vergehn,
90 - So hass’ mich, wenn du willst, doch hass’ mich jetzt!
91 - Der rühmt sein Geld, ein andrer seinen Stand,
92 -Â Doch tu dein Schlimmstes, wende dich von mir,
93 -Â So soll ich leben und dich treu vermeinen
94 - Wer, von der Macht zu schaden nicht verführt,
95 -Â Wie machst du selbst die Schande liebenswert,
96 -Â Die tadeln deine Keckheit, deine Jugend,
97 -Â Wie glich dem Winter doch die Trennungszeit,
98 - Von dir getrennt war ich zur Frühlingszeit,
99 - Dem kecken Veilchen hab’ ich so gedroht;
100 - Wo bist du, Muse, die vergaß, zu preisen
101 - Wie, Muse, willst du deine Säumnis sühnen?
102 - Stark wuchs die Liebe, und es trügt der Schein,
103 -Â Wie arm ist doch, was meine Muse bringt
104 - Für mich, Geliebter, wirst du niemals alt!
105 - Ihr sollt mein Herz des Götzendienstes nicht,
106 - Wenn Chroniken aus längst vergangnen Tagen
107 -Â Nicht eigne Furcht noch der Prophetenwahn
108 - Was kann das Hirn in Tintenzeichen künden,
109 -Â Nein, falsch von Herzen darfst du mich nicht nennen,
110 - Weh mir! ‘s ist wahr, ich bin umhergetollt,
111 -Â Oh, meinetwegen grollst du dem Geschick,
112 -Â Dein Mitleid deckt das Mal in Liebe zu,
113 -Â Mein Auge ist, seitdem ich von dir schied,
114 - Ob sich mein Geist, gekrönt von deinem Licht,
115 -Â Es log mein Lied, als ich dir einst gestand,
116 -Â Dem festen Bund getreuer Herzen soll
117 - Verklage mich, daß alles ich vertat,
118 -Â Wie man, um seine Essenslust zu mehren,
119 - Wieviel Sirenentränen schlürft’ ich ein,
120 - Daß du dich lieblos einst erwiesen hast,
121 - ‘s ist besser, schlecht zu sein, als schlecht zu scheinen,
122 -Â Das kleine Blatt, die Gabe deiner Hand,
123 - Nie prahlst du, Zeit, ich wäre wandelbar:
124 - Wär’ meine Liebe nur des Zufalls Sproß,
125 -Â Soll gleich dem Baldachin mein Lied nur sein
126 -Â O du geliebter Knabe, dessen Hand
127 - Schwarz galt für schön nicht in der alten Zeit,
128 - Wie oft, mein Herz, wenn du die Tasten rührst,
129 - Des Geistes Sturz in unermeßne Schmach,
130 - Der Liebsten Aug’ ist nicht wie Sonnenschein,
131 - So grausam bist du, als käm’ dieses Recht
132 -Â Ich liebe deine Augen, die mir Armem
133 -Â Verflucht das Herz, das mir das Herz zerschnitt
134 -Â Ja, er ist dein, ich sprach es endlich aus,
135 - Wie andern ihre Wünsche, so ward dir
136 -Â Wenn dich dein Herze schilt, ich sei zu dreist,
137 -Â Was tust du, Liebe, blinder Narr, mit mir,
138 - Wenn meine Liebe schwört, sie sei mir treu,
139 -Â Beruf mich nicht, Entschuldigung zu sagen
140 -Â Sei klug so, wie du grausam bist, und bringe
141 - Fürwahr, ich lieb’ dich mit den Augen nicht,
142 - Mein Fehl ist Liebe, deine Tugend Haß,
143 -Â Wie eine gute Hausfrau unverweilt
144 - Zwei Geister hab’ ich trost- und qualenreich,
145 - „Ich hasse“, sprach der Lippen Paar,
146 - Du Kern des sünd’gen Staubes, arme Seele,
147 -Â Die Liebe brennt wie Fieber und verlangt
148 -Â Weh mir! Was hat die Liebe in mein Haupt
149 -Â Ich liebe dich nicht, sagst du grausam mir,
150 -Â Durch welche Macht ward diese Allmacht dein,
151 - Lieb’ ist zu jung und weiß noch nichts von Sünde,
152 - Meineid ist meine Liebe, wie du weißt,
153 - Kupido ließ, als er entschlummert war,
154 -Â Der kleine Liebesgott lag einst im Schlaf