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Der
Knabe Jesus
Gar eines schönen Tages gingen
Die Kinder vor das Tor und fingen
Da Kurzweil an und Kinderspiel.
Da sprang mit andrer Knaben viel
Der Knabe Jesus auch von Haus,
Sie kamen bald aufs Feld hinaus,
Wo Lehm und Erde war gegraben.
Da setzt’ er sich mit andern Knaben
Und bildete mit kleiner Hand
Den weichen Lehm, den losen Sand
Und machte kleine Vögelein,
Wie er sie fliegen sah im Hain,
Grasmücken, Finken, Wachteln, Tauben
Und den Wiedehopf mit hoher Hauben.
Wie nun die andern Knaben sah’n
Die Vögel all so wohlgetan,
Da lachten sie und wollten auch
Sich Vögel machen nach seinem Brauch.
Nun war’s der Juden Sabbattag,
Da der Kinder Schar im Sande lag.
Da kam ein alter Jude just
Daher und sah der Kleinen Lust,
Wie sie mit Lehm und Erde spielten
Und nicht des Tages Feier hielten:
Darob erbost er sich alsbald
Und fuhr die Kinder an und schalt.
Er sprach: "Ihr seid des Teufels Brut,
Dass ihr hier solche Dinge tut,
Ihr brechet euern Sabbaot,
Damit erzürnt ihr euern Gott.
Jesus, die Schuld hast du allein,
Dass diese Kinder insgemein
Der schwere Zorn des Himmels trifft,
Von dir kommt der Verführung Gift."
Doch Jesus sprach: "Ei, wollte Gott,
Dass du selber deinen Sabbaot
Zu halten wüsstest so wie ich,
Nicht also schelten darfst du mich!"
Da ward der alte Jud’ erst böse
Und lief mit kreischendem Getöse
Hinzu, sich an dem Kind zu rächen,
Sein schönes Spiel ihm zu zerbrechen.
Zertreten wollt’ er mit den Füßen
Die Vögelein, den Zorn zu büßen.
Doch Jesus ihm das nicht vertrug,
Die Händlein rasch zusammen schlug,
Wie wenn man Vögel will erschrecken;
Die Stimme ließ er, sie zu wecken,
Erklingen auch mit lautem Schall.
Da wurden sie lebendig all
Und flogen auf und hoch empor
Und sangen laut herab im Chor:
"Wir haben Leben und Gefieder;
Nun komm einmal und tritt uns nieder!"
Der alte hört es ungelassen;
Doch musst er sie wohl fliegen lassen.
Karl Simrock 1802 - 1876
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